Die Musik des Mexikaners Sergio Cárdenas

von Peter Cossé*

Unter dem Eindruck einiger verschieden besetzter Instrumental- und Vokalkompositionen von Sergio Cárdenas drängt es sich auf, von den literarisch wie philosophisch getragenen Arbeiten eines Autors zu sprechen, der sein -absolut verstandenes – Handwerk nicht nur als Baukastensystem von musikalischen Zuordnungen und Verfahrensweisen versteht, sondern auch als eine Grundlage, Botschaften zu formulieren, ja stärker vielleicht noch: sich und seine Haltung dem Hörer preiszugeben.

Cárdenas komponiert unter Berücksichtigung traditioneller, bewährter Techniken, versucht sich in keiner der mir bekannten Arbeiten als Avantgardist im Sinne einer falsch verstandenen, äusserlich Modernität. Rückgriffe in klanglicher und melodischer Hinsicht -unter Umständen auch Zitat- und Montagetechniken, wie im von mozartischem Atem durchwehten COLUMPIOS – bestätigen seine Verbundenheit mit der europäischen Musiktradition.

Ins Spiel kommt bei seinen Werken aber auch die Literatur und die „bodenständige" Kunstmusik (wenn man das einmal musikethnologisch so unscharf ausdrücken darf) seiner mexikanischen Heimat. Deren sanglicher Schmelz, deren sehnsüchtige Geborgenheit, aber auch deren rhythmische Brisanz pulsieren unterschwellig in vielen Passagen von Cárdenas' Musik, zuweilen auch im besten Sinne vordergründig, wenn poetische oder auch geistlich-dichterische Themen – wie im MADRIGAL auf einen Text von Octavio Paz – angesprochen, bzw. musikalisch ausgestaltet sind.

In den meisten Fällen halten sich meiner Ansicht nach bei Cárdenas die vorgegebene Themenstellung mit dem auskomponierten Ergebnis in Bezug auf expressive Dichte, auf Situationsdefinition auf der einen Seite und in Bezug auf Länge und Ereignisfülle der Kompositionen auf der anderen Seite günstig die Waage.

Ich zähle Cárdenas zu jenen unauffällig-auffälligen Kreativen der gegenwärtigen Komponistenszene, die es wert wären, aufmerksamer, vor allem aber öfter gespielt und damit auch angehört zu werden.

Montag, den 25.06.2001

© 2001 Peter Cossé

* Adreße: Stockhamm 2, A-5112 Lamprechtshausen, Österreich